Meine Comic-Top-5 in ungeordneter Reihenfolge

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Die Zeit zwischen den Jahren lässt Zeit. Ruhe, viel Nacht und im Rückblick die Erkenntnis, dass mein Comic-Zimmer auch 2017 wieder einiges zu verkraften hatte. Unendliche Welten voller Tragik, Komik, Grafik. Erinnerungen, Neuentdeckungen, Tränen, Unterhaltung. Einen Großteil der deutschen Comics die ich lese, darf ich im Magazin GEEK! vorstellen, deshalb hier meine Handvoll Lieblingscomics aus anderen Ländern, deren Sprache ich so ungefähr verstehe.


The Visitor How & Why He Stayed

USA | Dark Horse | 144 Seiten | $ 19,99

Paul Grist ist kantig, seine Bilder sind ruhig. Sein Kane (deutsch bei Carlsen) ist der Cop, der Hellboy als normaler Mensch ohne Hörner und Schwanz wäre. Jetzt hat er eine Hellboy-Geschichte bebildert. Zur Story: Hellboy steht seit seiner Ankunft in unserem Fantasy-Leben unter außerirdisscher Beobachtung. Der Sohn der Hölle hat eine zu große Macht, als dass er unkontrolliert auf Erden wandeln oder womöglich galaktisch gefährlich werden dürfte. Ein Beobachter lebt deswegen unter uns. Er hat eine Waffe, um Hellboys Leben auszulöschen. Aber er ist auch ein Gast und verliebt sich mit den Jahrzehnten immer mehr in die menschliche Natur: die fragile Emulsion aus Neid und menschlicher Wärme, dem Rutschen auf den vielen Graten, die wir Menschen mit jeder Handlung beschreiten. Es ist eine Geschichte, die am Ende in herzerwärmenden Kaminglut-gelb-rot in Erinnerung bleibt. Dabei gibt es schwarze Momente, graue Alltäglichkeiten, Fehler und Gewalt. Es ist eine weihnachtlich positive unrealistische Geschichte, durchtränkt mit geschickt platzierten Tränenquetschern. Sie ist schön. Sowohl Grafik, Farbgebung und Erzählrythmus sind gekonnt und eigenwillig. Ob ich die Bedeutung der Blutstropfen begriffen habe, werde ich nach dem nächsten Noch-Mal-Durchlesen entscheiden.


Superboy and the Legion of Super-Heroes – Volume One

USA | DC | 312 Seiten | $ 49,99

Es war zu Beginn der 70er, als im Schwimmbad neben Dauerlutschern und Sammelbildchen die Legion der Superhelden eine Hochzeit feierten. Es war Teil eins eines Zweiteilers im MV Comikmagazin, gekauft am Schwimmbadkiosk. Ich las den zweiten Teil erst Dekaden später. Seit damals überfällt mich der unbekämpfbare Kaufreiz, wenn ein Legion of Super-Heroes Titel angekündigt wird.

Diese Serie gibt es schon sehr lange.  In der DC Archive Reihe wurden die frühen Geschichten nachgeduckt. Die endete für die Legion mit dem Archiv Band Nummer 13 und einem eigentlich unerträglich schlechtem Preis/Leistungs-Verhältnis. Die dadurch wenigen Vorbestellungen endeten in einer geringen Auflage und dieser Band ist heutzutage widersinnig teuer. Immer wieder wurde die Heftchen-Serie eingestellt und wiederbelebt. Mittlerweile ist das Heft schon ungewöhnlich lang abwesend, aber die alten Archiv-Bände werden aktuelle als Omnibusse wieder aufgelegt und mit Superboy And The Legion Of Super-Heroes ist die nahtlose Fortsetzung der alten Archive-Reihe, quasi Band 14, endlich zu haben. Hier heiraten Saturn Girl und Lightning Lad, gezeichnet vom einzigartig stylischen Mike Grell. Das war eigentlich eine Story aus dem überformatigen All-New Collectors Edition. Bei uns erschien dieser Meilenstein des Science-Fiction/Superhelden Mixes als Superman Superband 13. Auf den restlichen Seiten des 300seiters gibt es auch für uns viele bekannte Geschichten. Kruder Unsinn, Raumschiffe, knapp bekleidete Heldinnen und völlig bekleideten Helden. Neben dem zweiten Omnibus der ganz alten Geschichten ist mittlerweile auch der zweite Band der Superboy and the Legion Reihe angekündigt. Natürlich schon bestellt.


Serge Clerc – Science-Fiction Integrale

Frankreich | Dupuis | 348 Seiten | € 45,00

Französisch war für mich ein Schulfach mit stets schlechten bis schlechtesten Noten. Dennoch habe ich ein paar Brocken Sprachverständnis behalten. Meinen ersten Dark Knight Returns habe ich im Hardcover auf Französisch gelesen – der US Markt wollte seine Mainstream Comics damals noch nicht so recht in ein so hartes Korsett zwängen und eine deutsche Ausgabe mit festen Buchdeckeln war zu der Zeit undenkbar. Kurz: ich habe eine ganz kleine Anzahl Comic-Bücher mit mir Großteils unverständlichem Text. Und jetzt eins mehr. Serge Clerc ist einer der Gottväter der Nouvelle Ligne Claire. Darunter versteh man klare Zeichnungen wie bei Tim und Struppi aber mit Inhalten weit jenseits rein unterhaltender Abenteuergeschichten. Musik, die Diffamierung gesellschaftlicher Gepflogenheiten, neue Erzähltechniken mit Text und Grafik. Dabei ist Clercs Comic-Output deutlich vom amerikanischen Underground beeinflusst. Hier sind in einem limitierten und signierten Band auf 380 Seiten seine Science-Fiction Kurzgeschichten in überwiegend schwarz/weiß zu bewundern. Das Buch hat so viele Einzelabbildungen, das es gut als reiner Bildband durchgeht. Wahre Helden bemannen Raumkreuzer und beschreiten die Wege des Ruhms, Mondbasen-Besatzungen bekriegen sich, boshafte Pointe eingeschlossen. Mit begrenzten Kenntnissen der französischen Sprache ist es schwer, den launigen Texten zu folgen, alle kleinen Anspielungen auf den aus Hosentaschen ragenden Büchern, an den Wänden hängenden Plakaten oder auf dem Boden liegenden Briefen zu entschlüsseln. Mit einem Wörterbuch hat man so unendlich lang dauernden Satire-Spaß vor sich. Ein Augenschmaus und vielleicht ein Sprachkurz der besonderen Art für Grafik- und Raumschiff-Fans.


Armies

USA| Humanoids | 184 Seiten | $ 19,95

Ein Klassiker aus alten Schwermetall Zeiten. Die Serie wurde bei uns immer mal wieder, aber nie komplett veröffentlicht. Eine Schande! Jean-Claude Gals Bilder sind atemberaubend schön. Wo will man hinsehen, wenn die Rüstung des Wagenlenkers aus unzähligen Ornamenten besteht, der Blick dann auf die ebenso reich verzierten Beschläge des Zaumzeugs der Pferde wandert nur um zu bemerken, dass selbst die Narben der Holzräder beschlagen sind. Neben dem Gespann wartet ein weiterer Reiter in ebenso prunkvoller Ausrüstung. Die Szene spielt vor einem bearbeiteten Wegstein und im Hintergrund zeichnet sich der Beginn einer felsigen Landschaft ab. Hier wird im einzelnen Bild so viel gezeigt, dass es schwerfällt, der Fantasy Geschichte um Verrat und Unterdrückung zu folgen. Die unzähligen Ornamente, die weitläufigen Städte voller Menschenansammlungen, die sich in der Tiefe verlierenden Armeen –  all das sind nur Beiwerk und erzeugen dabei so viel Atmosphäre, dass man nach dem Lesen realistische Bilder in Erinnerung behält. Und weil neben den einzigartigen Grafiken die Geschichten fast untergehen: die sind allesamt düster, bitter, erzählen vom Tod und Krieg. Es gibt auch Freundschaft, zumindest so was Ähnliches. Ein Augenschmaus, der hier in Farbe präsentiert wird (das Bild ist aus einer älteren S/W Veröffentlichung). Und gerade verkündet der All-Verlag eine neue deutsche Ausgabe dieser Geschichten.


 

The Complete Crepax – The Time Eater and Other Stories

USA | Fantagraphics Books | 424 Seiten | $ 75,00

Den Italiener Guido Crepax kennt man vielleicht wegen seiner verhungerten Nackten, die sich lustvoll in Schmerzen verkrümmen. Er bebilderte Emanuelle und Die Geschichte der O. und wer an den vielen Erwähnungen von älterer Popkultur in Ready Player One Spaß hat oder sich an der kunstvollen Platzierung von Zitaten bei Alan Moore erfreut, der muss sich Crepax mal genauer anschauen. Für Ignorante wie mich gibt es in den schweren Büchern der Reihe des renommierten amerikanischen Fantagraphics Verlags reich bebilderte redaktionelle Seiten, die auch mir einen Hauch von der kulturell überquellenden Welt des Zeichners geben. Ich dagegen klettere begierig in diese kleine Kugel mit den sechs Bullaugen und durchquerte völlig unamerikansche Weiten das Alls, die oft Sinn frei, dann wieder einer dagegen stringenten Erzählung folgend, mich mit Menschen und Unmenschen zusammenbringt. Oft durchwanderte ich minutenlang die Bilder, um Ornament von Hintergrund oder den Helden zu trennen. Neben dem Neuen umgarnt den gealterten Heavy-Metal-Leser die Geschichte Reflection. Diese hocherotische Version der Schlusssequenz des Films 2001 lief im größten SF-Magazin so in den 80ern. Valentina in devoten Posen, kopulierende Raumanzüge und ein Ende aus Little Nemo. Was eine Reise.

2017 brachte noch so viel interessante, spannende, bewegende Comics raus. Mit um die +40 Veröffentlichungen pro Monat allein auf dem deutschen Markt haben wir wirklich die Qual der Wahl. Es ist eine herrliche Zeit für uns Comic-Leser. Vielen Dank an die Künstler, Verleger und Händler. Auf ein ebenso augenberauschendes und unterhaltendes 2018!

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